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Die Begegnung mit Nikodemus

"He, Nikodemus, was schleichst du dich so leise und mitten in der Nacht herum?"


"Nicht so laut", entgegnet Nikodemus, "meine Freunde müssen nicht wissen, dass ich zu Jesus gehe."


"Warum gehst du denn zu ihm?"


"Habe einige Fragen. Werde aus ihm einfach nicht schlau."


"Kann ich mit dir mitkommen, Nikodemus? Verstehe ihn auch nicht, aber wie soll ich ihn verstehen, wenn du ihn als Pharisäer nicht mal verstehst."


Nikodemus schaut mich ernst an:

"Von mir aus, aber nur wenn du endlich leiser sprichst. Es müssen wirklich nicht alle wissen, dass wir zu ihm gehen. Ich lasse mich doch von den Freunden nicht verspotten. Also sei leise und komm schon."


Wir schleichen leise durch die Nacht, so dass uns niemand sehen und hören kann, und suchen den Ort, wo dieser Jesus zu treffen sei. Das ist ja bei ihm nicht einfach. Mal ist er da und gleich wieder dort. Dieser Jesus ist einfach nicht zu fassen.


"Haben denn deine Freunde keinen Respekt vor diesem Jesus? Der hat doch der ganzen Welt gezeigt wem der Tempel gehört und wem nicht. Flach hat er die da oben gestellt."


Ich seh ihn noch vor mir, wie er letzte Woche den Tempel säuberte und die Superfrommen, Händlerinnen und Banker im hohen Bogen raus schmiss.


"Ach, Johannes, kein Wunder auf der Welt kann sie bewegen, dass sie sich nicht mehr aufbäumen gegen ihn. Im Gegenteil, sie kehren alles gegen ihn."

 

"Er ist ja auch schwer zu verstehen", antworte ich.


"Ja, da hast du recht. Er ist aber der Einzige, der von einem gerechten Gott spricht. Er spricht von einem Gott, der seinen eigenen Sohn für uns hingab, damit wir, du und ich erlöst sind von dieser Welt der 1000 Götter."


Ich schaue Nikodemus ungläubig an. Er merkt es, auch wenn es um uns herum schon dunkel ist. Er sagt weiter:

"Dieser Jesus spricht von Gott, als ob er sein Vater oder Bruder wäre. Er sagt z.B.: Jeder, der ihm vertraut, wird das ewige Leben haben. Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben."


"Und glaubst du ihm?" frage ich.


"Ja schon, aber... er ist so radikal, so eindeutig - es ist fast zu radikal für mich."


"Wenn ich die Menschen um mich herum sehe, die glauben und vertrauen und doch an Krankheiten leiden, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Sie leiden an unerfüllter Liebe und geheimen Freundschaften, nur weil sie glauben, dass es Gott so gefällt. Nikodemus, wenn ich das alles sehe, fällt es mir schwer an ihn zu glauben."


Nikodemus: "Johannes, vielleicht schauen wir viel zu viel auf das was die Welt von uns erwartet und viel zu wenig darauf, was er uns gibt".


"Was gibt er uns denn, Nikodemus?"


"Seine Liebe - und das muss genügen."


"Sagst du damit, dass in seiner Liebe auch die Krankheit leichter zu tragen ist?"


"Ja."


"Und dass wir in seiner Liebe zu uns stehen dürfen?"


Nikodemus beginnt zu lachen, denn er weiß, was jetzt kommt und sagt:

"So wie Gott uns zärtlich liebt, so dürfen auch wir lieben."

 

Bilde ich es mir nur ein, oder ist es so - die Nacht, das Dunkle hat sich verabschiedet.
Ich verstehe Jesus immer noch nicht ganz, aber eben, seine Liebe genügt mir.

jch 2009